Was wird das Jahr 2020 für Maschinenbauer bringen? Wer wird die Strukturwende in der Auto-Industrie für sich nutzen, wer auf der Strecke bleiben? Was spricht für eine baldige Konjunkturerholung und wie schätzen Experten die geopolitische Lage ein? Reed Exhibitions Austria hat sich in der Branche umgehört und macht die Fachmesse Intertool zum heimischen Stimmungsbarometer. 

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Während Deutschland bereits 2019 in der Maschinenbauproduktion ein Minus von zwei Prozent hinnehmen musste, sollte sich für Österreich 2019 noch ein positiver Jahresabschluss ausgehen.

 

Gewiss ist nur eins: Dass gar nichts gewiss ist. Auf diese Kurzformel lässt sich das Umfeld bringen, in dem die metalltechnische Industrie derzeit agieren muss. Seit dem Vorjahr schon sprechen sowohl Brancheninsider als auch Konjunkturforscher von einer Eintrübung. Die konkreten Aussagen darüber, wie dramatisch sie zu bewerten ist,  klaffen allerdings auseinander: abhängig vom Fachbereich, dem Grad der Verflechtung mit der Automobil-Industrie und natürlich auch von der Region.

 

Österreich stabiler als Deutschland

Zumindest letzteres lässt sich auch an Zahlen verdeutlichen: Während Deutschland bereits 2019 in der Maschinenbauproduktion ein Minus von zwei Prozent hinnehmen musste, sollte sich für Österreich, gestützt durch Exporte, 2019 noch ein positiver Jahresabschluss ausgehen. Das laufende Jahr schätzt der Fachverband der metalltechnischen Industrie allerdings bereits deutlich kritischer ein. Nicht ohne Grund: Am Jahresende 2019 gaben dreißig Prozent der befragten Unternehmen des Verbands an, dass ihre Produktion gefallen ist.

Und dennoch deutet einiges darauf hin, dass Österreich auch durch das aktuelle Jahr besser kommen könnte als sein nördlicher Nachbar. Das sagt jedenfalls der Leiter der österreichischen Geschäftsstelle des VDMA, Georg Priesner. Mit rund 3.300 Mitgliedern ist der VDMA ein wichtiges Sprachrohr des Maschinenbaus in Europa.

„In Österreich“, urteilt Priesner, „dürfte die Abschwächung nicht ganz so stark ausfallen wie in Deutschland. Auch sonst gibt es innereuropäisch große Unterschiede. So haben sich die mittel- und osteuropäischen Nachbarstaaten Österreichs konjunkturell gut gehalten, was dem österreichischen Maschinenbau, der in diesen Ländern stark engagiert ist, zu Gute kommt.“

Man müsse außerdem auch bedenken, dass der aktuelle Abschwung eine Abwärtsbewegung von einem extrem hohen Niveau aus sei. Die Jahre 2017 und 2018 liefen im Maschinenbau ja sehr gut, 2018 erreichte man gar ein All-Time-Hoch. Dass es da irgendwann einmal nach unten gehen musste, sei daher nicht ganz unerwartet gewesen.

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Konjunktur: Aktuelle Entwicklungen seien völlig anders zu beurteilen, als die Krise der Jahre 2008/2009, meint Emco-CEO Stefan Hansch. 

 

Knackpunkt Verbrennungsmotor

Auch viele österreichische Branchenakteure sehen die Lage differenziert. Stefan Hansch, CEO von EMCO meint etwa, dass die gedämpfte Stimmungslage objektiv betrachtet nur teilweise gerechtfertigt sei. An sich biete Österreich für Investitionen nämlich nach wie vor ein gutes, stabiles Umfeld.

Zugleich merkt Hansch aber auch an, dass die aktuelle Entwicklung völlig anders zu beurteilen ist, als die Krise der Jahre 2008/2009: „Die Ursachen des aktuellen Abschwungs sind strukturell viel tiefgreifender. Das liegt vor allem am Strukturwandel in der Automotive-Industrie.“  Dass dieser Strukturwandel Österreich dennoch etwas weniger hart trifft als Deutschland,  erklärt sich vor allem daraus,  dass der heimische Maschinenbau nicht so eng mit der Automobilindustrie verwoben ist wie der deutsche.

Selbst dort, wo sie für die Auto-Produktion zuliefern, stellen viele Kunden österreichischer Maschinenbauer Teile abseits des Verbrennungsmotors her. Das macht sie für die Folgen der Mobilitätswende weniger anfällig. „Unsere Langdreherei-Kunden liefern zum Beispiel Teile für Fahrzeug-Klimaanlagen, elektrische Servolenkungen oder andere elektrische Nebenantriebe, und die wird es immer brauchen“, sagt Peter Watzak-Helmer, der Geschäftsführer von Helmer Werkzeugmaschinen.

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Branchenmeinung:  Zerspaner, die zu hundert Prozent vom Auto-Sektor abhängig sind werden weniger. 

 

Massive Neuorientierung

Jene Unternehmen, die noch massiv am Verbrennungsmotor hängen, beginnen sich außerdem allmählich umzuorientieren. Noch gibt es sie zwar, die Zerspaner, die zu hundert Prozent vom Auto-Sektor abhängig sind. Doch sie werden weniger wie Mario Schirnhofer beobachtet. Schirnhofer konzipiert für seine Kunden anwendungsbezogene Maschinen, die er dann mit Partnern umsetzt. Zu seinen Auftraggebern gehören zahlreiche österreichische Automobilzulieferer.

„Wir erleben schon eine gewisse Umschichtung weg von Verbrennungsmotorkomponenten und hin zum Elektromotor“, sagt er und liefert auch noch eine interessante Beobachtung nach: „Bekannte Automobilzulieferer stellen sich bereits seit einigen Jahren darauf ein, dass die Ära des Verbrennungsmotors zu Ende geht und versuchen ihre Geschäftsmodelle dementsprechend anzupassen. Kleinere sind oft noch unschlüssig.“

 

Elektromotor (k)eine Bedrohung

Besonders herausfordernd ist der Umbruch in der Auto-Industrie auch für Werkzeugmaschinenbauer, die Robotik, den Sektor der Kunststoff- und Gummimaschinen, aber auch den Bereich der Antriebstechnik und der Präzisionswerkzeuge.

Wolfgang Farnady, Managing Director, Zeiss Industrial Quality Solutions Austria/Hungary sieht die Situation dennoch nicht übertrieben dramatisch. Ja, die Eintrübung im Maschinenbau werde noch einige Monate anhalten, bestätigt er: „Ich erwarte aber nur eine kurzfristige Delle. Ich glaube, dass die nächsten ein bis zwei Jahre in der Antriebsfrage eine Klärung bringen werden.“  Für Zeiss sei die Umstellung auf nicht-fossile Antriebe jedenfalls alles andere als gefährlich: „Für uns ist der Elektromotor keine Bedrohung. Er hat zwar weniger Teile, aber diese Teile müssen genauso exakt sein wie beim Verbrennungsmotor. Das heißt, der Bedarf an genauer Messtechnik wird auch in Zukunft bestehen bleiben.“

 

Weniger Teile, weniger Aufträge?

Dass der Elektromotor mit ungefähr einem Zehntel an Teilen auskommt wie ein Diesel- oder Benziner sorgt in der Branche allerdings vielfach für Sorgenfalten. Denn weniger Teile, so die nachvollziehbare Befürchtung, könnten am Ende auch weniger benötigte Maschinen und weniger Aufträge bedeuten. Viele Maschinenbauer sehen sich daher inzwischen ganz bewusst nach Kompensationsmöglichkeiten abseits der Autoindustrie um: im allgemeinen Anlagenbau, in der Seilbahnindustrie, im Luftfahrtsektor oder in den sogenannten Green Industries wie Windkraft.

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Coronavirus und Co: Das geopolitische Umfeld bedroht Lieferketten. 

 

Coronavirus als Bedrohung der Lieferketten

Unsicherheit schafft aber auch das geopolitische Umfeld:  der weltweite Hang zu Protektionismus und Handelsstreitigkeiten, aber auch das Coronavirus als Bedrohung der Lieferketten. Auf der anderen Seite, sagt der Leiter der VDMA Geschäftsstelle Österreich Georg Priesner, gebe es von der Politik auch positive Zeichen. Die neue EU-Kommission, sagt er, lasse durchaus eine proindustrielle Grundeinstellung erkennen. „Auch den anstehenden Green Deal sehen wir positiv. Allerdings wäre es verheerend, wenn die Politik vorschreibt, mit Hilfe welcher Technologien die grüne Wende erreicht werden soll.“  Allein schon deshalb, weil es den einen optimalen Antrieb für alle Anwendungen nicht geben könne. Nachsatz: „Einen hundert Tonnen Baukran wird man niemals elektrisch antreiben können, weil es dafür einfach keine Riesenbatterien geben wird.“