16. März 2022

„Ihr wollt Fachkräfte? Dann macht auch welche!“

Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Umgang mit Mitarbeitern – warum Peter Helmer, Eigentümer von Helmer Mara, diese Themen nicht trennen will.

Herr Helmer, sprechen wir über Nachhaltigkeit – ist es ein Problem für die Branche, dass der Begriff immer nur mit Ökologie assoziiert wird?

Peter Helmer: Möglicherweise, denn dann geht es schnell darum, die ganze Welt zu retten. Nachhaltigkeit bedeutet aber auch Langlebigkeit von Produkten, Ressourcenschonung – und korrekte Verarbeitung des Abfalls. Es beginnt mit Kleinigkeiten. Wie oft sehe ich Spänecontainer, die zu 65 Prozent mit Luft gefüllt sind! Mit der Folge, dass der Lkw eben dreimal fährt statt einmal. Vor allem aber: Nachhaltigkeit umfasst auch Ökonomie und Soziales. Fällt hier ein Baustein aus, gibt es keine Nachhaltigkeit.

 

Wo fängt man an?

Helmer: In meinen Augen ist einer der stärksten Hebel: Bildung, Bildung, Bildung! Wer die Produktionskosten senken will, indem er die Menschen an der Maschine nicht mehr ordentlich ausbildet oder versucht, sich über Digitalisierung Personal zu ersparen, der hört von mir: Bitte bleib am Boden! Wir werden auch in zwei und in drei Generationen Facharbeiter brauchen. Es hat wenig Sinn, die Lohnkosten zu drücken und alles zu digitalisieren – aber nach drei Jahren festzustellen, dass keiner mehr da ist, der mechanische Arbeiten beherrscht.

„Wer die Produktionskosten senken will, indem er die Menschen an der Maschine nicht mehr ordentlich ausbildet oder versucht, sich über Digitalisierung Personal zu ersparen, der hört von mir: Bitte bleib am Boden!“

Wissen Sie, was ich interessant finde? Ich spreche Sie auf Nachhaltigkeit an, und wir landen sofort bei Arbeitsmarkt und Digitalisierung.

Helmer: Diese Themen hängen ja auch eng zusammen. Und sie leiden immer wieder unter fehlender Bodenhaftung.

 

Das gilt wohl auch für Digitalisierung?

Helmer: Absolut – es hat keinen Sinn, einem kleinen Unternehmen mit ein paar Mitarbeitern Systeme anzubieten, die es sich nicht leisten kann und die es nicht braucht. Genau deshalb werden wir gemeinsam mit unserem langjährigen Partner Gewatec einen neuen Schritt tun, der auf den österreichischen Markt zugeschnitten ist – und das auch gemeinsam auf der Intertool präsentieren.

„Es hat keinen Sinn, einem kleinen Unternehmen mit ein paar Mitarbeitern Systeme anzubieten, die es sich nicht leisten kann und die es nicht braucht.“

Was werden Sie anbieten?

Helmer: Ein sehr modulares System, das vor allem kleinen Serienfertigern ermöglicht, die volle Bandbreite zu einem günstigeren Preis zu bekommen. Eine IT-Struktur, die von der Kalkulation eines neuen Angebotes bis zum Qualitätszertifikat, zum Lieferschein, zur automatischen Versandsteuerung reicht. Und, wenn gewünscht, inklusive Modulen wie Maschinendatenerfassung oder Produktionsplanung. Über Schnittstellen kann man auch problemlos auf bereits vorhandene Systeme zugreifen. Genau das heißt für mich Digitalisierung: Jene Daten aufzusammeln, die man braucht, um Entscheidungen zu treffen. Diese Daten so genau auszuwerten, dass Entscheidungsreife entsteht. Aber um Gottes Willen keinen einzigen Datensatz zu viel zu erfassen – das kostet nur unnötig Geld.

 

Ist es einfach, kleinere Unternehmen von solchen Systemen zu überzeugen?

Helmer: Selbstverständlich trifft man da auch auf Widerstand. Manche sind ja zutiefst davon überzeugt, genau zu wissen, was sie tun. Implementiert man dann Maschinendatenerfassung, die vielleicht auch noch mit Qualitätsdatenerfassung verknüpft ist, bemerken manche, dass sie die ganze Zeit das Thema verfehlt haben. Das kann ein ziemlicher Schock sein, noch dazu, wenn man für den Schock auch noch Geld bezahlt hat.

 

Die einzelnen Mitarbeiter sind aber auch nicht immer begeistert, nehme ich an.

Helmer: Dass deren Leistung durch Digitalisierung transparenter wird, ist klar. Wie damit umgegangen wird, ist eine Frage der Unternehmenskultur. Mit der Information, dass eine Maschine steht oder dass die Qualität immer grenzwertiger wird, kann man ja auf zwei Arten umgehen: den involvierten Mitarbeiter demütigen – oder ihn fragen, wie man ihn unterstützen kann.

 

Bleiben wir beim Thema Mitarbeiter: Sind die Klagen über Fachkräfte- und Arbeitskräftemangel übertrieben?

Helmer: Das kommt wohl auf die Sichtweise an. Wir selbst suchen gerade einen Außendiensttechniker mit Mechatronik-Ausbildung. Und wir lernen derzeit Menschen kennen, die wirklich viel können – schulen müssen wir sie allerdings selbst. Ich sage allen, die sich darüber beschweren, dass der Markt keine Facharbeiter mehr hergibt: Wenn ihr sie nicht selbst ausbildet, werdet ihr nie welche haben. Ihr wollt Fachkräfte? Dann macht auch welche! Ich fürchte übrigens, ich muss jetzt zu einem kleinen bildungspolitischen Exkurs ansetzen.

 

Aber gerne!

Helmer: Zu meiner Zeit in der HTL hatten wir 48 Unterrichtseinheiten pro Woche, heute sind es im Schnitt 36 Stunden. Und wir hatten eine Woche weniger Ferien als heute. Wenn man ein Schulsystem immer „gemütlicher“ macht und gleichzeitig totspart, darf man sich nicht über gesunkene Erfolge wundern. Gleichzeitig arbeitet die Lehrergewerkschaft hart daran, das Image des Lehrberufs bei Schülern, Eltern und in der Öffentlichkeit zu schädigen. Hinzu kommt, dass die Schüler schon in der Unterstufe mit Leistungsdruck ausgequetscht und mit hirnrissigen Stundenplänen gequält werden. Und vor allem: Die Fachausbildung wird seit vielen Jahren schlechtgeredet. Wir haben so viele Menschen ins Studium gebracht, dass wir heute Architekten in Konstruktionsbüros setzen müssen. Die Rechnung bekommen wir nun präsentiert: An den Gymnasien sinkt das Niveau, die Hauptschulen haben wir kaputtgemacht, das Image der Fachausbildung ist am Boden. Und die Unternehmen müssen es ausbaden.

„Die Fachausbildung wird seit vielen Jahren schlechtgeredet. Wir haben so viele Menschen ins Studium gebracht, dass wir heute Architekten in Konstruktionsbüros setzen müssen. Die Rechnung bekommen wir nun präsentiert.“

Sie betonen die Bedeutung innerbetrieblicher Fortbildung. Gibt es in diesem Bereich eigentlich Zusammenarbeit zwischen Mitbewerbern?

Helmer: Leider viel zu selten. Vor allem kleine Unternehmen haben nach meiner Beobachtung meist die Sorge, ihre Mitarbeiter dadurch volatil zu machen. Wir selbst haben in unseren Kundengruppen mehrfach Vorstöße mit unternehmensübergreifenden Bildungsangeboten gemacht – mit eher verhaltener Resonanz. Was ich auch verstehen kann: Wer Fachkräfte hat, will und muss die an sich binden. Vor diesem Hintergrund ist ja auch unser Info-Truck entstanden: Wenn ihr nicht gemeinsam schulen wollt, dann müssen wir eben zu euch kommen!

Interview: Bernhard Fragner

 

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